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11. August 2023
BANDSCHEIBEN
Entsteht ein
Bandscheibenvorfall durch zu wenig Muskulatur oder durch eine dysfunktional
arbeitende Muskulatur? Und welche Fragen könnte ich mir stellen, um meinen
Muskeln behilflich zu sein?
Wenn wir etwas tun sollen, was wir nicht tun möchten oder etwas tun wollen und nicht können, wirken in uns widerstreitende Kräfte und bringen uns in eine Zwickmühle.
Das ist, als würden sich Beuger und Strecker gleichzeitig anspannen. Spannen sich Beuger und Strecker für den Rücken zugleich an, nimmt das den Rücken wie in einen Schraubstock, das kann zu Kompression in den Bandscheiben führen, zu Unbeweglichkeit und Erstarrung. Angst und Kummer oder nicht dürfen und nicht können, kann die Beuger ansprechen.
Aufrecht stehen bleiben wollen, das Gleichgewicht wahren wollen, ins Tun
kommen wollen, kann die Strecker ansprechen.
Arbeiten Beuger und Strecker
gleichzeitig und fixieren unseren Rücken, werden die Bandscheiben nicht mehr
gut versorgt und nutzen sich ab. Durch Bewegung würde das Gewebe der
Bandscheiben versorgt werden, wie bei einem Schwamm, den wir ausdrücken,
damit er sich mit frischem Wasser wieder vollsaugt. Ausdrücken und
Vollsaugen wird durch Bewegung erzeugt. Bewegen wir einen Bereich des
Körpers nicht mehr, erstarrt und verklebt dieser Bereich immer mehr auf
faszialer Ebene, es wird nichts Frisches und Nährendes mehr aufgesaugt und
andere Bereiche müssen mehr arbeiten.
In der Folge fängt Bewegung an, uns unnatürlich viel Anstrengung zu kosten. Auch können uns Körperregionen schwer vorkommen, wenn Beuger und Strecker fest sind und wir gegen diese Erstarrung anarbeiten wollen. Die entstehenden Scherkräfte können Wirbel aus dem Lot ziehen und/oder die Bandscheiben kompressieren, was beides zu Schmerzen führen kann.
Was lässt mich erstarren, wo fühle ich mich widersprechenden Kräften ausgesetzt, zerrissen, ambivalent, wo bleibe ich aufrecht, obwohl es mich zusammenzieht, wo sitzt der Kummer, den ich mir nicht erlaube?
Natürlich brauchen wir Muskeln. Während ein Muskel arbeitet, sollte der Gegenspieler gehemmt sein. Wenn der Rücken schmerzt, arbeiten oft Agonist und Antagonist gleichzeitig und wir brauchen immer mehr Kraft, uns dort zu bewegen, bzw. der Rest des Rückens muss mehr Arbeit übernehmen und wird überlastet, da ein Teil nicht mehr mitmacht.
Wir benötigen also nicht einfach nur mehr Muskulatur sondern eine differenziert arbeitende Muskulatur, die es uns möglich macht, die Arbeit gut zu verteilen und Hemmen und Anspannen angemessen aufeinander abzustimmen. Ein einfach nur "besser" angespannter Muskel stabilisiert zwar einen Bereich, aber hält ihn auch fest und unbeweglich.
Wie ausgewogen ist also mein Leben, stimmt die Verteilung von Müssen und
Wollen, von Herausforderung und Erholung?
3. Juni 2023
MAGISCHE MOMENTE
in der blauen
Stunde des Abends, die manchmal auch rosa und lila ist; wenn die Stille der
Nacht vom Lärmen der Vögel bedrängt wird; die ersten Sonnenstrahlen auf der
Haut nach einem langen Winter; satte, laue Sommerabende, die das Ende des
Sommers ahnen lassen; wenn mich die feuchte Erde des Herbstes im Wald
empfängt, der sich nach einem Sommerregen ganz anders anfühlt; es zum ersten
Mal im Jahr wieder nach Schnee duftet oder der Duft von frischem Brot.
Das Tosen einer Großstadt, egal wo auf der Welt; wenn mich ein Geschmack
auf der Zunge verblüfft oder ein Klang oder Wort berührt; ich Seeluft
rieche; Sand zwischen nackten Zehen rieseln lasse; Seele sehe; ein Lächeln
entdecke; Hund und Katz berühre; Kaffeebohnen riechen und durch meine Finger
gleiten lassen; ein Löffel frischer Marmelade im Mund. Wenn plötzlich etwas
geht, was vorher nicht ging; ich die Formationen von Schwärmen bestaune, den
Tanz der Bäume im Wind oder winkende Blätter.
Freundin wieder sehen;
schnurrende Katze im Schoß; in Babyaugen blicken; wohlwollend Nähe spüren;
gesehen werden ohne Arg; das Gewicht eines Steins in meiner Hand; wenn alles
laut ist und in mir ist es still; wenn ich des Zwischenraums gewahr werde
und ihn ausdehnen möchte, was mir nur gelingt, wenn ich es sein lasse. In
einen Augenblick sinken, die Nase in den Wind der Erinnerungen halten,
schnuppern, was da gerade vorbei wehen mag, da sein.
24. März 2023
LANGEWEILE
Als Kind habe ich mich manchmal
gelangweilt. Die Vorschläge meiner Eltern, was ich mit meiner Zeit anfangen
könnte, waren durchweg sinnvoller Natur und hätten vielleicht sogar
geholfen. Aber mich schreckten sie nur ab. Zimmer aufräumen oder
Hausaufgaben machen, versprach mir keine Erlösung von diesem unangenehmen
Gefühl der Langeweile, eher im Gegenteil. Also zog ich mich zurück und lag
missmutig in meinem Zimmer herum. Mir blieb nichts anderes übrig, als das
Gefühl auszuhalten. Und wenn ich das lange genug tat, kam immer von
irgendwoher ein Impuls und meistens wurde ich kreativ, begann etwas zu
erschaffen, geriet in ein „Gesummse“ und in die wundervolle Stimmung der
Verbundenheit.
Manchmal langweile ich mich beim Feldenkrais, ja, ich gebe es zu. Dann liege ich da und denke: „Jetzt das Gleiche noch mal auf der anderen Seite, ojeh!“ oder „Was, noch eine Variante?“ oder „Wie spät es wohl sein mag?“. Und wenn ich mich dann einlasse, auf die Langeweile, auf das was ich spüre, entdecke ich immer etwas und die Langeweile ist verflogen.
Wenn wir uns langweilen, erleben wir einen Zeitraum als sinnlos und vertan. Vielleicht ängstigen wir uns vor der Leere, weil es dort nichts mehr zu geben scheint, an dem wir uns festhalten können? Wer sich langweilt, erlebt das meist als unangenehm, es ist wie etwas nicht annehmen zu wollen. Dabei kann Leere per se nicht unangenehm sein, wo nichts ist, kann auch kein Gefühl gebunden sein. Es ist also unsere Haltung dem Zustand gegenüber, freie Zeit zu haben und unser Unvermögen, die Gegenwart sinnvoll zu gestalten oder in ihr eine Sinnhaftigkeit zu entdecken. So ist Langeweile auch immer der empfundene Verlust von Selbstbestimmung, wir wissen nichts mit dem Moment anzufangen.
Wer guckt heute beim Warten noch einfach so vor sich hin und langweilt sich ein bisschen? Wer hält die übergänge im Leben aus, ohne sie gleich zu füllen, z. B. wenn wir nach Hause kommen oder eine Sache beendet und die nächste noch nicht begonnen haben oder von A nach B fahren? Und dient vielleicht auch die viele Selbstoptimierung der Verhinderung von leeren Zeiten (in denen sich sonst womöglich unsere ganze Kreativität entfalten könnte)? Und ist es wirklich sinnstiftend womit wir uns da dauernd beschäftigt halten?
Wenn die Gegenwart das Gefühl von Langeweile dominiert, bietet es sich an, dieses Gefühl nicht als Missstand sondern als Ereignis zu betrachten und neugierig zu studieren. Zulassen, aushalten und dem Unbehagen standhalten, bis die Situation uns offenbart, was sie für uns bereit hält. Langeweile motiviert, nach Sinn zu suchen. Das Wort Sinn entstammt dem indogermanischen sent, gehen, reisen, fahren, oder dem althochdeutschen sinnan, reisen, streben, trachten, oder dem lateinischen sentire, empfinden, wahrnehmen. Sich ein wenig bewegen, streben, empfinden und wahrnehmen klingt irgendwie nach Feldenkrais?
28. Januar 2023
Warum ist es manchmal so schwer Gewohnheiten zu ändern?
Die Feldenkrais Methode betrachtet zuerst, wie wir etwas tun und warum,
um es sinnvoll verändern zu können. Erstmal müssen wir wahrnehmen, dass wir
vielleicht nur den Hals verdrehen, wenn wir uns umschauen wollen, und dass
uns das begrenzt. Wo begrenzt es uns? Was bräuchte es? Wir könnten darauf
kommen, erst mal unser Becken aufzurichten, ein Knie und die Hüfte
vorzuschieben und die Wirbelsäule ihre Möglichkeiten Richtung Kopf entfalten
zu lassen. Das entlastet den Hals und wir können uns nicht nur weiter
umschauen, es macht uns auch mehr Freude.
Also finden wir erst
einmal heraus, wie funktioniert unsere Gewohnheit? Was geht dem Moment
voraus oder nicht voraus, indem sich entscheidet, es wieder so zu tun, wie
wir es schon immer getan haben? Wie könnten wir diesen Moment anders
gestalten, um unser Leben angenehmer werden zu lassen? Voila, schon hast du
Feldenkrais in dein Leben gelassen.
Mit bewegenden Grüßen
Anne
Barthelmeß
9. Dezember 2022
Bei meinen Einzelstunden ist meine erste Frage in der Regel nach deinen Wünschen und das lässt sich nicht immer so leicht beantworten. Die Frage bezieht sich erstmal auf das, was dich geleitet hat, es mit Feldenkrais zu probieren und zu mir zu kommen. Oft taucht dann auf, was man sich nicht Wünscht, Schmerzen zum Beispiel, und es ist nicht immer ganz einfach, das so umzuformulieren, dass dabei etwas heraus kommt, was man sich tatsächlich wünscht.
Auch sonst ist es keine ganz so einfache Frage, wie es erstmal vielleicht scheint. Erst denkt man, klar habe ich Wünsche, ganz viele sogar. Oder man sagt, ich habe keine Wünsche mehr (wo sind denn die Wünsche deiner Kindheit oder Jugend geblieben, haben sie sich alle erfüllt?) Was wünscht du dir? Ich meine, was wünscht du dir wirklich? Was bedeutet dieser Wunsch für dich, was soll er dir erfüllen? Wie schmeckt oder duftet die Erfüllung, wie schaut sie aus oder fühlt sie sich an, was macht es mit dir, wenn sich der Wunsch erfüllt? Woran würdest du merken, dass dein Wunsch gerade in Erfüllung geht?
Als Kind wünschte ich mir Gegenstände, Unternehmungen oder auch Haustiere. Aber auch Superkräfte oder etwas von Bedeutung tun zu können, etwas, was bewegt, verändert und gesehen wird. Was ich mir von der Erfüllung meiner Wünsche erhoffte, waren immer Momente, in denen ich Nähe und Verbundenheit zu mir, anderen und der Welt empfinden konnte oder in denen ich versunken ins Leben sein konnte, etwas ausleben und ausprobieren konnte, was in mir steckte und heraus wollte.
In diesem Sinne, mit den besten Wünschen für 2023, Anne Barthelmeß